Ein Role Model für die Lehre der Zukunft?
„Die Lehre der Zukunft ist hybrid“ (Stifterverband 2021) – davon war die Mehrheit der Hochschulleitungen in Deutschland laut Hochschulbarometer Ende 2021 überzeugt. Auch nach dem Abklingen der Corona-Pandemie bleibt das Konzept der synchronen Hybridität (interaktive Zuschaltung von Online-Teilnehmenden in einen Präsenzraum am Campus) in vielen Hochschulbereichen aktuell, da es die Vorteile von Analogität und Digitalität zusammen bringt und in einer Gesellschaft, die fortlaufend weiter digitalisiert wird, bewährte Konzepte mit neuen Möglichkeiten verbindet.
In diesem Artikel soll exemplarisch ein konkreter Anwendungsfall von hybriden Lehrformaten an der Professional School der Leuphana vorgestellt werden.
Kontext: Die Campus Week der Professional School
Die Professional School ist als Weiterbildungsbereich der Leuphana Universität Lüneburg Anbieter vielzähliger Studienangebote, die sich an berufsbegleitende und häufig nicht-traditionelle Studierende richten. Aufgrund ihrer beruflichen, familiären oder sonstigen privaten Verpflichtungen ist es ihnen oftmals nicht möglich, alle Präsenzveranstaltungen ihres Studienprogramms vor Ort auf dem Campus wahrzunehmen. Um diesen Studierenden dennoch die Teilhabe an Inhalten und Austausch zu ermöglichen, bietet die Professional School bereits viele Präsenzveranstaltungen in synchron hybrider Form an.
Ein mittlerweile bewährter Anwendungsfall hybrider Formate ist die Campus Week der internationalen Master-Onlinestudiengänge „Arts and Cultural Management“ (MACUMA) und „Governance and Human Rights“. Bei diesen international ausgerichteten Studiengängen kommt neben den o.g. Verpflichtungen hinzu, dass viele Studierende im Ausland wohnen und zusätzlichen Reise- und Organisationsaufwand auf sich nehmen müssten, um nach Lüneburg zu kommen.
Zu den Herkunfts- und Aufenthaltsländern der Studierenden des Studiengangs MACUMA der Professional School (siehe Abb.1) gehören viele Staaten, aus denen eine Einreise nach Deutschland mit erheblichen Kosten sowie ggf. langwierigen Visafragen verbunden wäre. Darüber hinaus schont jede nicht angetretene Flugreise das Klima. All diese Aspekte sprechen in vielen Fällen für eine Online-Teilnahme in hybrider Form.
Gleichzeitig möchte die Professional School ihren Studierenden die Möglichkeit geben, sich einmal im Jahr während der Campus Week vor Ort in Präsenz zu sehen und sich persönlich zu vernetzen. Um diese beiden heterogenen Bedarfe in Übereinstimmung zu bringen, bietet sich eine hybride Durchführung der Campus Week an.
Die Campus Week der Professional School versammelt verschiedene Kohorten der beiden Studiengänge während einer Woche auf dem Campus der Leuphana Universität Lüneburg. Entsprechend breit gefächert und herausfordernd sind die Gegebenheiten während der Lehrveranstaltungen, die sich in Gruppengröße und Interaktionsgrad teils erheblich unterscheiden. Dafür wurden von uns verschiedene technische Settings entworfen, die jeweils für kleinere wie größere Gruppen anwendbar und durch die genutzte Mobiltechnik auch modular anpassbar sind.
Exemplarisch möchten wir zwei Setups vorstellen: zuerst für eine kleine Gruppe von 6-8 Studierenden vor Ort sowie anschließend für eine mittelgroße Gruppe von ca. 15-20 Studierenden vor Ort. Die Gruppengröße der jeweils online teilnehmenden Studierenden ist eher zweitrangig, da diese gemeinsam via Zoom auf Bildschirmen zu sehen sind und das technische Setup daher kaum beeinflussen.
Kleine Gruppe: Workshop Insel-Setting
Das Workshop-Setting besteht technisch aus einem Laptop, einer Meeting Owl (oder einer anderen 360°-Kamera, z.B. Kandao Meeting Ultra) sowie zwei kleinen Zusatzmonitoren. Ziel dieses Settings ist es, die Gruppe vor Ort möglichst nah abzubilden sowie ein freies Sprechen ohne zusätzliche Mikrofone zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen die Online-Teilnehmenden in der Mitte einer Tischinsel auf kleinen Monitoren zu sehen sein. Dies hat gegenüber einem separaten, großen Monitor den Vorteil, dass die Online-Teilnehmenden direkt angeschaut werden, wenn mit ihnen gesprochen wird.
Da sowohl das Mikrofon als auch die Lautsprecher für den Seminarraum durch die Meeting Owl abgedeckt werden, ist keine zusätzliche Hybridtechnik nötig. Die Meeting Owl wird einfach über den Zusatzlaptop in Zoom ausgewählt. Dazu wird das Bild auf den beiden Zusatzmonitoren dupliziert, sodass alle Seiten der Tischinsel die Online-Teilnehmenden in Zoom sehen können. Die Präsentation wird auf dem Dozierenden-Laptop über den Beamer angezeigt und in Zoom geteilt, sodass sie auch online zu sehen ist.
Die in den Zoom-Raum übertragene Audioqualität ist bei der Meeting Owl im Vergleich zu dem im Raum vorinstallierten Richtmikrofon erheblich besser:
Die deutlich verbesserte Tonqualität ist insbesondere für die Interaktion mit den Online-Teilnehmenden wichtig. Diese können sich erst ermutigt fühlen, an einer Diskussion teilzunehmen, wenn sie auch alle Wortbeiträge deutlich verstehen und sich darauf aufbauend selbst beteiligen können.
Da das Workshop-Setup ein unkompliziertes Setting ist, das mit wenig Aufwand in jedem Seminarraum mit Beamer- oder Displayanschluss umzusetzen ist, bietet es sich in vielen unterschiedlichen Kontexten mit bis zu 10-12 Teilnehmenden vor Ort an – so z.B. auch für Veranstaltungen außerhalb der Lehre wie Besprechungen auf Mitarbeitenden-Ebene oder Workshops/Schulungen.
Mittelgroße Gruppe: Seminar mit Tischreihen
Im Vergleich zum Workshop-Setup ist das Seminar-Setting auf eine mittelgroße Gruppe vor Ort angelegt. Aufgrund der größeren räumlichen Dimensionen werden die vorabinstallierten Raumlautsprecher sowie die Raumkamera in den Leuphana-Seminarräumen genutzt. Die mobilen technischen Bestandteile setzen sich aus einem Zusatzlaptop, einem mobilen Display mit angehefteter Kamera sowie einem Catchbox-Wurfmikrofonsystem zusammen.
Die größere Gruppe vor Ort wird nunmehr nicht mehr einzeln im Bild eingefangen, sondern wird über die Kamera auf dem Zusatzbildschirm in der Gruppe abgebildet (siehe Online-Ansicht). Der/die Dozierende wird dabei mit der vorinstallierten Raumkamera einzeln abgebildet und bleibt somit als Person mit großem Redeanteil bzw. als Moderator:in gut zu sehen.
Ebenfalls ist der/die Dozierende stets zu hören, da er/sie entweder mit einem Klippmikrofon oder einer eigenen Catchbox ausgestattet ist. Die Studierendengruppe teils sich eine Catchbox und kann diese an die jeweils sprechende Person herumreichen bzw. werfen. Dabei ist darauf zu achten, dass die Studierenden möglichst nur mit einer Catchbox vor sich sprechen. Die bunte Box sorgt neben der Audioübertragung in den Zoom-Raum zusätzlich für Orientierung, da die jeweils sprechende Person im Seminarraum gut über die Kamera auffindbar bleibt.
Auch hier ist die in den Zoom-Raum übertragene Audioqualität mit der Catchbox im Vergleich zu dem im Raum vorinstallierten Richtmikrofon wesentlich besser:
Fazit und Ausblick
Das Feedback auf die hybride Umsetzung der Campus Week war sowohl vonseiten der Studierenden als auch vonseiten der Dozierenden durchweg positiv. Die hohe Qualität der audiovisuellen Übertragung ließ die Hemmschwelle sinken, mit der jeweils anderen Online/vor Ort-Gruppe zu interagieren. Dadurch war eine nahezu gleichwertige Teilhabe an den Lehrveranstaltungen möglich.
Festzustellen ist jedoch auch, dass sich alle Beteiligten noch an diese Art der Lehre, die unterschiedliche Lebensrealitäten vereinigen kann, gewöhnen müssen. Diese Gewöhnungszeit fehlt zwar bei einer jährlichen Blockveranstaltungswoche wie der Campus Week – ist jedoch bei wöchentlichen Lehrveranstaltungen, die mit klareren organisatorischen und didaktischen Routinen arbeiten, durchaus vorhanden. Daher liegt das enorme Potenzial der Hybridlehre tatsächlich nicht nur bei einzelnen Blockveranstaltungen oder kurzfristigen Hybridlösungen, sondern vor allem auch in der dauerhaften Verankerung von hybriden Settings im regulären Lehrbetrieb der grundständigen und weiterführenden Lehre.